Wolf Vostell, Dé-coll/age
Deutsch
Vostells Stellung in der Fluxus-Bewegung ist so ambivalent wie sein künstlerischer Ausdruck. Einerseits war Vostell der Abstraktion bzw. der Konkretion zuzuordnen, da die künstlerische Strategie der Dé-coll/age zumindest abstrahierend, in jedem Fall jedoch selbstreferenziell funktionierte. Andererseits war seine explizit systemkritische Haltung, als Ergebnis seiner frühen Prägungen in der Kriegs- und Nachkriegszeit sowie seine Experimentierfreude im Sinne des Fluxus, ein Gegenpol zu einer bloß affirmativen Wiederaufnahme der Vorkriegsmoderne beziehungsweise einer Aneignung einer expressiven Abstraktion.
Das Thema der Dé-coll/age prägt sein Werk seit seinen Pariser Jahren (1955-56). Für das Auseinandernehmen von Sinnzusammenhängen und deren Kombination in neuen Beziehungen durch allegorisch-groteske Happenings und Environments wurde Vostell bekannt. In den USA bezeichnete die Kunstkritikerin Susan Sontag dieses „radikale Nebeneinander“ als „gewaltvollen Akt“ einer surrealistischen Kunstauffassung, welche der klassischen Aufteilung der Künste entgegenstand, um so eine komische Leere zu schaffen und die Betrachtenden „zu Sündenböcken“ der Sinnstiftung zu machen. Die gewaltvolle Grenzüberschreitung des „Theaters der Maler“ war als Akt der kreativen Zerstörung Spiegel der disruptiven kulturellen Entwicklung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Im Falle von Vostell führte die formale Öffnung zur Befüllung seiner Bildwerke mit gewaltvollen Motiven als Reflex auf die Erfahrungen seiner Kindheit und Jugend. In die Zeit seiner ersten Happenings im Rahmen der Fluxus Festivals fallen auch die beiden Arbeiten Verwischung und Verwischung III (beide 1961) und der Objektkasten mit Dokumenten Union Sovietica, No 1 (1966) aus der Reihe „Kleenex“, welche die Zerstörung von Informationen in Form von mit Lösemittel verwischten Magazinseiten und zerschmetterten Glühbirnen thematisieren