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Mary Bauermeister, Zopf ab!

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Für Hörgeschädigte

Das Biografische spielte in ihrem Œvre eine prominente Rolle. In ihrer Arbeit Zopf ab! (2012) widmete sich Bauermeister in editorischer Manier ihren eigenen Kindheitserinnerungen, die sie auch schon zuvor etwa in Objekten wie Do not defend your freedom with poisoned mushrooms (1964) einfließen ließ. Von solchen Kriegserlebnissen zeugen die Kindheitserinnerungen von Mary Bauermeister, die sie in einer Mappe anlässlich ihres Projektes im Selbstverlag ausgab. In ihren Kinderzeichnungen und Briefen schlagen sich deutlich die traumati¬schen Erlebnisse wieder. Zeichnete sie noch in den 30er Jahren idyllische Bilder von Heimat und Familie, so thematisieren die Kinderbilder der 40er Jahre in kindlich naiver Weise den Bombenkrieg und das Böse. In einem Brief an ihre Mutter vom 25. Oktober 1944 spiegeln sich Bauermeisters Kriegserinnerungen wider: „… Innsbruck ist schon wieder angegriffen worden. Die Leute sagen auch in Igels sind Bomben abgeworfen worden. Hier fliegen die Flieger oft vorbei. Schmeißen aber selten etwas ab. Vorgestern sind wir vier Stunden im Keller gesessen[…] wir kamen dann mit einem Mordshunger nach Hause. Bis jetzt haben wir noch keinen Mantel bekommen. Auch keine Schuhe! Weil die Punkte von der Kleiderkarte noch nicht bewilligt sind. …“ . Betrachtet man heute Bilder von Kindern aus Kriegsgebieten, so finden sich ähnliche Darstellungen und es stellt sich beim Betrachter dieselbe beklemmende Empfindung ein. Es sind aus dem individuellen Bewusstsein nicht zu löschende Erfahrungen, deren Verarbeitung Generationen beschäftigen. Das Projekt der Deutschlandfahne (2012) von Mary Bauermeister versteht sich explizit als Projekt der Heilung von Traumata der 40er Jahre. Sie hinterfragt in dieser mehrteiligen Arbeit die deutsche Nationalidentität, indem sie die Bundesfarben als Tafelbild herstellt und diese in umgekehrter Reihenfolge darstellt. Bauermeister erinnert damit an den republikanischen Ursprung dieser Farben und ruft zu einer friedlichen, der Demokratie verpflichteten, Souveränität im Umgang mit nationaler Identität auf. Dabei ist der Ursprung dieser Farben selbst von mythologischer und militaristischer Tradition durchwoben. So trugen die Freikorpssoldaten in den Napoleonischen Kriegen die Farben Schwarz-Rot-Gold, woher auch die Tradition der Korpsstudenten rührte, die im Zuge der Märzrevolution 1848 in Hambach für republikanische Werte demonstrierten. Aus der Freiheitsbewegung gegen das napoleonische Imperium wurde die republikanische Idee geboren. Mary Bauermeister schreibt über das Projekt: „„Zopf Ab“ steht für: Umbruch, Neuanfang, Änderung – egal auf welchem Gebiet: politisch, gesellschaftlich, moralisch, religiös. Es bedarf Mut, alte Zöpfe abzuschneiden, gewohnte Verhaltensweisen zu ändern, und Überzeugungen zu hinterfragen, denn zum „Nein-Sagen“  – gegen etwas zu sein, gehört auch eine Vision, Wofür, Wohin!“ Bauermeister plädiert für eine Freiheit FÜR Etwas und nicht von Etwas. Nur mit einer Vision gelingt es, auch konservativ gesinnte Menschen dazu zu bewegen, sich dafür einzusetzen. Für Bauermeister stehen die Farben für die Dynamik eines Prozesses – die Umkehrung ihrer Reihenfolge eine positive Affirmation :

Schwarz: Armut – Boden – Druck – Erde – Grab – Grund – Quelle – Urbares – Vergangenheit – Wurzel

Rot: Blut – Jubel – Kraft – Kampf – Leidenschaft – Liebe – Mut – Schmerz – Schwung

Gold: Adel – Feiheit – Geist – Ideal – Hoffung – PHANTASIE – Reichtum - Traum – Zukunft – Ähren – Samen

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